
Wie eine Expedition planen
9 junge Alpinist:innen und 3 Coaches, die versuchen, ihre Grenzen zu verschieben.
Sie trainierten im Schnee, am Fels, im Eis und in jeder möglichen Kombination. Jetzt ist die Zeit gekommen, ihr Ziel zu verwirklichen: eine neue Route an einem noch unbestiegenen Berg in Indien zu eröffnen.
Liebst du Abenteuer und Entdeckung und träumst davon, eine Expedition in eine abgelegene und wilde Region zu unternehmen, weißt aber nicht, wo du anfangen sollst? Dann haben wir als angehende Expeditionsbergsteiger:innen einen Schritt-für-Schritt-Leitfaden für dich.
Das Team zusammenstellen
Abstimmung der Expeditionsziele
Ein starkes Team ist die Grundlage einer erfolgreichen Expedition. Unser Team wurde über ein Bewerbungsverfahren ausgewählt, nicht selbst zusammengestellt, aber unsere Coaches haben besonders auf die Teamdynamik geachtet. Motivation war entscheidend, fast ebenso wichtig war die Vielfalt. Gesucht wurden Menschen, die sich nicht nur in ihren Kletterfähigkeiten ergänzen, sondern auch in Organisation, Risikoeinschätzung, Ruhe bewahren oder Energie einbringen. Genau das macht eine Seilschaft stark. Wichtig ist auch, dass die Vorstellungen über die Art der Expedition übereinstimmen. Wenn jemand von einer Skiexpedition in Alaska träumt und jemand anderes neue Risskletter-Routen in Kirgisistan erschließen möchte, ist ein gemeinsamer Plan schwer zu finden. Auch in unserem Team gab es unterschiedliche Vorlieben (Schnee vs. Fels), doch uns einte der Traum, unbestiegene Gipfel zu erklimmen. Schließlich fanden wir ein Tal, das alle unsere Herzen höherschlagen ließ.
Zielsetzung
Erforschung unbestiegener Regionen
Dieser Schritt kostet viel Zeit, da man das Internet nach relevanten Informationen durchforsten muss. Wenig überraschend gibt es umso weniger Informationen, je mehr unbestiegene Berge eine Region aufweist. Ein großartiger Ausgangspunkt ist das American Alpine Journal, wo man Fotos und Berichte findet, die dieses „Wow“-Gefühl vermitteln und zum eigenen Expeditionsziel passen. Hat man eine Region ins Auge gefasst, beginnt die systematische Recherche: Wer war dort? Welche Routen wurden eröffnet? Gab es Probleme wie schlechte Felsqualität, gefährliche Gletscherbrüche, politische Instabilität oder ungünstiges Wetter? Zwei Quellen waren für unsere Recherche entscheidend: Sakomoto, ein japanischer Trekker, der entlegene Täler kartierte und unter Alpinist:innen für die „Sakomoto-Karten“ bekannt ist, sowie Matija Jošt-Matic, ein Expeditionsbergsteiger, der im Zanskar umfangreich geklettert und fotografiert hat. Dank Matija haben wir nun ein detailliertes Fotoarchiv mit 500 Aufnahmen, die uns bei der Orientierung halfen.
Logistik & Budget
Warum lokale Unterstützung wichtig ist
Bergexpeditionen erfordern mehr Logistik und Kosten als Trekkingtouren. Je explorativer die Expedition, desto weniger kann man sich auf bestehende Infrastruktur verlassen und desto wichtiger wird die lokale Unterstützung. Ein Trekking-Agent kann bei Transport, Lasttieren oder Trägern, Genehmigungen und bürokratischen Fragen helfen. Die Kosten hängen vom Land und vom Serviceniveau ab. Für uns war es entscheidend, dass der Agent lokal ist und seine Mitarbeiter fair bezahlt. So unterstützen wir nicht nur uns selbst, sondern auch die lokale Wirtschaft – ein entscheidender Faktor für unsere Wahl.
Finanzierung
Sponsoring und Partnerschaften
Expeditionen sind teuer, und viele von uns könnten sie ohne Unterstützung durch Stipendien nicht finanzieren. Es gibt Förderungen für Studierende (z. B. den Otto-Fonds), für Bergsteigerinnen (z. B. den Line van den Berg-Fonds) und breitere Finanzierungsmöglichkeiten über Alpenvereine. Unser Rat: Bewerbt euch für jedes Stipendium, für das ihr infrage kommt. Schon eine einzige Förderung kann den entscheidenden Unterschied machen. Man kann auch Firmen für Sponsoring ansprechen. Wenn man im Gegenzug etwas bieten kann – etwa Vorträge, Social Media, Blogs oder hochwertige Fotos – erhält man vielleicht Rabatte auf Ausrüstung oder sogar Material im Austausch für Öffentlichkeitsarbeit.
Ausrüstung
Das Wichtigste für abgelegene Expeditionen
Zusätzlich zur Standardausrüstung für Alpinismus braucht man bei Expeditionen Extras, da man weit weg von Elektrizität oder Hilfe ist und weil es extrem kalt werden kann. Dazu gehören z. B. ein InReach oder Satellitentelefon, Solarpanel, verlässlicher Kompass, Fernglas, warmer Schlafsack, Daunenjacke, isolierte Bergstiefel oder beheizbare Socken. Wir haben die Scarpa Phantom Tech getestet – sie halten die Füße auch bei Kälte warm und werden definitiv mit nach Indien kommen. Unsere Gipfel reichen „nur“ bis 6000 m und liegen in einer relativ milden Region. Bei höheren oder kälteren Zielen wären noch wärmere Stiefel wie die Phantom 6000 erforderlich.
Flüge buchen
Richtlinien und versteckte Kosten
Jetzt wird es ernst! Buche deinen Flug direkt bei der Airline und vermeide billige Drittanbieter-Portale. Meist sind zwei Gepäckstücke erlaubt (2 × 23 kg), daher ist es entscheidend, die Gepäckbestimmungen genau zu kennen. Manchmal ist ein teureres Ticket am Ende günstiger, wenn man die Freigepäckmengen berücksichtigt.
Training
Physische Vorbereitung
Das Training hängt von der Art der Expedition ab, aber in den meisten Fällen bedeutet es: viel Gehen mit schwerem Rucksack – also Beine trainieren! Unser Teamkollege Joris Timmermans hat das berüchtigte „Timmermans-Training“ entwickelt: den 60 m hohen Nedereindse Berg in den Niederlanden so oft hoch- und runtersteigen, bis man 1000 Höhenmeter mit schwerem Rucksack absolviert hat. In den Alpen klettern wir außerdem lange, anspruchsvolle Routen mit Expeditionscharakter: Wegfindung, wechselnde Felsqualität, manchmal sogar ein Biwak in der Wand. Sehr hilfreich: ein Erste-Hilfe-Kurs, in unserem Fall First Aid for Mountain Accidents. In den Bergen, vor allem fernab der Zivilisation, ist man weitgehend auf sich allein gestellt, deshalb ist das Training mit einem Expeditionsarzt von großem Wert.
Die Expedition
Die Reise genießen
Hier haben wir selbst noch wenig Erfahrung – nur unser Teamkollege Alex (und natürlich die Coaches) war bisher auf Expedition. Doch der wichtigste Ratschlag unserer Coaches lautet: Nichts läuft nach Plan, Rückschläge gehören dazu. Bleibt flexibel, konzentriert euch auf den Prozess und genießt jeden Moment. Wir jedenfalls können es kaum erwarten. Nur noch 17 Mal schlafen!
Ihr könnt unsere Expedition live auf dem Instagram-Kanal der Expeditie Academie verfolgen.
Text: Claartje Meijs